Erfindung eines wohlfeilen Kirchengeläutes

Bei dem im Sommer 1830 vollendeten Neubau einer von Stein erbauten Kirche in dem Dorfe Serno, im Amte Coswig, womit besonderer Einschränkung verfahren werden musste, und daher auch der Wunsch, eine eigene Glocke zu haben, nicht erfüllt werden konnte, erfand der herzogliche Baukonstrukteur Herr Henning in Coswig ein Stahlstäben-Geläute, dessen nähere Beschreibung der Aufmerksamkeit der verehrten Leser des „Anhaltinischen Volksfreundes“ wohl wert sein dürfte.

 

Dies Stahlstäben-Geläute (vielleicht das erste seiner Art) besteht aus drei Stäben zu 12, 24 und 36 Pfund von so genanntem Dreibandstahl, der rein geschmiedet und geschliffen ist. Jeder Stab ist mit einem Winkel von 68 Graden gebogenen und oben mit einem Henkel versehen. Der Anschlag dieser Stäbe wird durch ein Getriebe, bestehend in Räderwerk, Gewicht und Walze mit Stiften (wie bei den Drehorgeln) und durch sechs oben angebrachte hölzerne Hämmer bewirkt. Das Triebwerk und der Ton des Werkes sind denen der gewöhnlichen Schlag- und Spieluhren ähnlich. Das Geläut  hat einen reinen, angenehmen, runden Ton, den Dreiklang angebend, wird auch bei nicht stillem Wetter in den entferntesten Häusern des zerstreut liegenden Dorfes gehört und erfüllt also ganz seine Bestimmung, obgleich das selber bei Mangel starker Schwingungen nicht die Stärke des wirklichen Glockentones hat.
Das Werk kostete mit Einschluss der Ausgaben für vorangegangene Versuche 64 Taler Preußischer Cour. Hätte man stattdessen eine Glocke von ungefähr sechs Zentner schwerer anschaffen wollen, so würde solche mit Einschluss des Glockenstuhls der Beschläge und sonstigen Kosten einer Ausgabe von 500-600 Taler verursacht haben.
Der Vorteil, den ein solches Stahlstäben-Geläute dadurch gewährt, dass es wenig kostet und das Gebäude nicht erschüttert, ist bedeutend, und daher die Anschaffung solcher Geläute sehr zu empfehlen. Ein Geläute in größerem Maßstab, zu 20, 40, 60 folgend oder zu 40, 60, 80-100 Pfund würde auch in größeren Ortschaften seine Bestimmung erreichen, und wenn man einzelne Hämmer mit einer Turmuhr in Verbindung setzt, auch die Angabe der verflossenen Stunden bewirken.
Abgeordneter unserer höheren Behörden, namentlich der Herr Superintendent Habicht und der Baurat Bunge aus Bernburg, schenkten diesem Werke ihren größten Beifall, und die Gemeinde zu Serno wird dem Herrn Baukonstrukteur Hennig für die Herstellung dieses wohl klingenden Geläute stets dankbar verpflichtet bleiben. Noch bemerken wir, dass der geschickte Schmiedemeister Sachsenberg im Rosslau dies Stahlstäben-Geläute nach Angabe und Zeichnung des Erfinders sehr dauerhaft und schön gearbeitet hat. Gegenwärtig werden Stahlstabgeläute weder von der Fabrik der Herren Gebr. Sachsenberg, noch unseres Wissens von irgendwelchen Fabriken Deutschlands geliefert, umso mehr gebührt dem erstmaligen Verfertiger derselben in seinem engeren Vaterland ein Blatt der Erinnerung, dass dem Schmiedemeister Gottlieb Sachsenberg hiermit gewidmet sei. 

(Quelle: „Der Anhaltische Volksfreund“, I. Jahrgang 1831, Nr.4, Seite 26-27)