Gottlieb Sachsenberg der Verfertiger der Stabgeläute

An der Nordseite des Marktplatzes zu Rosslau stand, ansehnlich unter damaligen Verhältnissen, zu Anfang unseres Jahrhunderts eine Schmiedewerkstatt. In ihr hantierte jahrzehntelang der als Meister in seinem Fache weit und breit bekannte, wohlangesehene Bürger: Gottlieb Sachsenberg - der Stammvater der rühmlich bekannten Herren Gebrüder Sachsenberg in Rosslau und Begründer von deren großartigen vielseitigen Fabriken. Es ist hier nicht der Ort, über den hochverdienten Mann und seine Außerordentlichen leistenden Nachkommen im Allgemeinen zu berichten. Wohl aber gebührt in einem Werk über die Glocken im Herzogtum Anhalt den Gedächtnis des Mannes ein Platz, welcher als der erste Verfertiger von Stahlstabgeläuten gelten darf und zwar zu einer Zeit, wo an eine maschinellen Herstellung derselben noch gar nicht zu denken war.

Gottlieb Sachsenberg war im Jahre 1782 in Rosslau als Sohn des damaligen Schmiedemeisters Sachsenberg geboren. Eine seltene Begabung für mechanische Künstler war ihm von Jugend auf eigen und gestaltete seine spätere Wirksamkeit als Meister über aus mannigfaltig und erfinderisch. So ist der Rosslauer Schmiedemeister unter anderem Hersteller der Turmuhren zu Polenzko 1821, Buro 1828, Rodleben und Serno 1830, Zieko 1830, Zörbig 1835, Köthen (Bärthor) 1838, Armenschule 1839, Frenz 1839 und andere; insbesondere aber darf Anhalt seiner gedenken betreffen der Stabgeläute. Noch nicht 62 Jahre alt ist der Meister am sieben März 1844 gestorben, noch im Tode hoch geehrt von weiten Kreisen, wie ein ihm gewidmete Nachruf in der „Zerbster Extrapost“ 1844 Nr. 21 bekundet.

Die nachstehenden Angaben über die von Gottlieb Sachsenberg gelieferten Stabgeläute sind hauptsächlich der gütigen Mitteilung der Herren Gebrüder Sachsenberg Rosslau zu danken.

Es sind im ganzen nur drei Stabgeläute, als von Sachsenberg geliefert, namhaft zu machen; in der Familie aber lebt noch die Erinnerung, dass der Meister als besondere Schwierigkeit bei der Anfertigung der Stabgeläute betont hat das Zusammenschweißen der Stäbe, da jeder Stab aus vielen kleinen aneinander geschweißten Stäben besteht, bei dem geringsten Fehler aber in der Schweißung der Stahl den Ton versagt. Die Notwendigkeit des Zusammenschweißen vieler einzelner Stücke aber war geboten, weil die damalige Technik noch nicht vermochte, so lange Stäbe aus einem Stück herzustellen. Bezüglich der im Lande verbreiteten Erzählung, dass Richard Wagner seinerzeit die Sachsenbergischen Stabgeläute für seine Opern verwertet habe, ergaben diesbezügliche Nachforschungen der Herren Gebrüder Sachsenberg keine bestimmten Ausweise. Jedenfalls werden noch jetzt in Bayreuth bei den Festspielen, wie ein Bescheid der Direktion der Bühnenfestspiele daselbst berichtet, Stabgeläute verwendet, die allerdings jetzt aus Bronceröhren, welche von England geliefert werden, bestehen.Die von Meister Gottlieb Sachsenberg nachweislich gelieferten drei Stabgeläute sind die folgenden:

1. Auf Bestellung eines Kaufmanns Pleß in Leipzig ist um Michaelis 1835 ein Geläute geliefert wurden in den Tönen G C G, also mit drei Doppelstäben im Gewicht von 40, 60 und 80 Pfund, im Preis von 150 Taler. Dasselbe ist nach Italien gegangen.

2. Am 25. Juli 1832 ist in der katholischen Kirche zu Köthen ein Geläut von vier Doppelstäben mit Maschinenwerk aufgestellt worden; das Gewicht der Stäbe beträgt 50, 70, 120 und 180 Pfund, die Kosten beliefen sich auf 560 Taler. Dieses Geläut ist noch in Gebrauch und viele haben es wohl schon gehört, ohne zu wissen, dass die Töne nicht von eigentlichen Glocken, sondern an gebogenen Stahlstangen im Turme herrühren.

3. Das älteste Stabgeläut ist das ebenfalls noch in Gebrauch stehende zu Serno, im Sommer 1830 aufgestellt und mit der neu erbauten Kirche geweiht. Dieses Geläut besteht aus drei Doppelstäben, 20, 30 und 40 Pfund im Gewicht; es kostete 36 Taler. Ein Lichtdruck, wie er sich in einer Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum der Sachsenbergschen Maschinenfabrik vom Jahre 1894 findet, und mit Genehmigung der Herren Gebrüder Sachsenberg auf der hier beigefügten Tafel wiedergegeben ist, bildet das Stabgeläut zu Serno ab und gewährt zugleich einen Einblick in die Einrichtung der Stabgeläute.(Quelle: Friedrich Winfrid Schubart: „Die Glocken im Herzogtum Anhalt“; 1889)